Al-Mawadda

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Christen und Muslime gehören zusammen

Prof. Dr. Adel Theodor Khoury
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Christen und Muslime gehören zusammen

Adel Theodor Khoury

Unsere Welt – heute und in der Zukunft – braucht neue Herzen, neue Ideen, neuen Mut, neue Initiativen.

Denn unsere Welt verschleißt sich leider zunehmend durch Konflikte und aggressive Konfrontation. Sie ist immer heftiger erschüttert durch immer härter werdende Auseinandersetzungen. Die Kontrahenten haben immer weniger Geduld und drohen immer unverhohlener, mit Härte ihre Meinung, ihre Lebensweise, ihre Interessen durchzusetzen.
Aber dies alles stürzt die Menschheit in eine lähmende Ungewissheit. Der Friede wird zerbrechlich. Die Gerechtigkeit geht abhanden. Die Verständigungsmöglichkeiten schwinden zusehends. Die Zukunft wird so immer dunkler und beunruhigender.

Es gibt dazu einen anderen Weg. Trotz aller Hindernisse und skeptischer Äußerungen muss der Dialog gesucht und die Zusammenarbeit gewagt werden. Es gibt dazu keine Alternative.
Auf Grund dieser Überzeugung haben Menschen, Einzelne und Institutionen, sich dem Dialog verschrieben. Sie beschreiten den Weg zu einer guten, auf Gerechtigkeit und Frieden basierenden Zukunft mit Entschlossenheit. Sie versuchen den Dialog und die Zusammenarbeit mit aller Kraft zu praktizieren und, soweit es geht, auch überall dort zu fördern, wo Menschen den gleichen Weg gehen wollen.
Der Dialog wird verstanden als Mittel, mehr Wahrheit zu erkennen und die Zusammengehörigkeit aller Menschen stärker zu betonen. Der Dialog soll als Weg zu einer wirksamen Versöhnung – auch unter früheren Feinden – verstanden werden, zu einer Kultur des Friedens und einer Zivilisation der Barmherzigkeit und der Liebe.
Angestrebt wird auch eine ehrliche und beharrliche Zusammenarbeit, um die Gegenwart zu befrieden, die Zukunft aufzubauen im Geiste der Geschwisterlichkeit. So kann unsere Welt eine Welt für alle werden, in der wir unsere gemeinsamen Probleme gemeinsam angehen und versuchen, sie gemeinsam zu lösen.

Die Haupthindernisse auf dem Weg des Dialogs und der Zusammenarbeit sind folgende:

– Die Intoleranz und die arrogante Selbstgefälligkeit. Wer meint, allein die Lösung aller Probleme zu besitzen, begreift nicht die Dimensionen dieser Probleme und die Kompliziertheit ihrer Elemente. Er begreift nicht, dass die Probleme der Menschheit nur durch die Beteiligung aller Akteure gelöst werden können.
– Die allzu schnellen Urteile und die hartnäckigen Vorurteile. Diese sind ein Erbe einer unglücklichen Vergangenheit und einer verstockten Haltung in der Gegenwart. Es ist eine Frucht der Gerechtigkeit, die sich auftürmenden Vorurteile zu beseitigen, zu einer ruhigeren Atmosphäre zu gelangen und eine aufgeschlossene Dialogbereitschaft und Dialogfähigkeit zu erwerben.
– Die Unfähigkeit, das Denken auszuhalten. Denn die erste Voraussetzung für einen Dialog ist, dass man bereit und fähig ist, sich ernsthaft und beständig zu bemühen – um den Menschen und der Sache selbst gerecht zu werden – ein differenziertes Wissen zu erwerben, um dann auch differenziert urteilen und Hindernisse überwinden zu können. Dazu gehört auch die Bereitschaft zur Selbstkritik, um den Verstand zu mehr Klarheit, das Herz zu mehr Offenheit und die Geduld zu mehr Ausdauer zu verhelfen.
– Die mangelnde Bereitschaft, Unterschiede zu dulden, bis der Dialog die genauen, unüberwindbaren Widersprüche feststellt, und dann die übrig gebliebenen Unterschiede geduldig zu ertragen.

Da die Wahrheit nicht nur die Wahrheit ist, die man glaubt und formuliert und zu begründen sucht, – da die religiöse Wahrheit in erster Linie die Wahrheit ist, die man tut (vgl. Evangelium nach Johannes 3,21), gilt es, die Wahrheit und die sitt¬lichen Werte der eigenen Religion als Grundlage dafür zu nehmen, freundli¬che Beziehungen zu den anderen zu errichten und mit den anderen eine fruchtbare Zu¬sammen¬arbeit zwischen den Reli¬gionsgemeinschaften zu planen.
Not tut eine Neuorientierung an den ethischen Werten des Christentums, des Islams und der anderen Religionen, welche ja ihnen weitgehend gemein¬sam sind.

Gefordert ist eine humane Gesellschaftsordnung, die auf der unantast¬baren Würde des Menschen gründet und die, wenn sie auch in die Praxis umgesetzt wird, folgende Folgen zeitigen soll:

– eine brüderliche Gerechtigkeit,
– eine barmherzige Handhabung von Rechten und Pflichten,
– Einräumen von Priorität für die Rechte der Schwachen,
– Op¬tion für die Ar¬men und Entrechteten,
– Statt gewaltbereiten Strebens nach Herrschaft Pflege des Friedens,
– Bereitschaft zur Versöhnung.

Außerdem gelten im Christentum, und weitgehend auch im Islam und in den anderen Religio¬nen, folgende Grundsätze:

– Fundamentale Gleichheit aller Menschen als Geschöpfe Gottes.
– Alle Geschöpfe Gottes, hier besonders alle Menschen, gehören zusammen, alle sind auf eine Welt umfassende Kommunikation und Zusammenarbeit angelegt und angewiesen.
– Alle Menschen bilden eine große Familie; sie sind miteinander in einer um¬fassenden Solidarität und in einer universalen Ge-schwister¬lichkeit verbunden.
– Solidarität und Geschwisterlichkeit sind nicht beliebig, sondern verbindlich. Sie beinhalten die Verantwortung aller für alle. Sie sind daher als Grundsätze der sozialen und politischen Ordnung das Fundament einer Welt umspannenden brü¬derlichen Gerechtigkeit.

Es sei mir zum Schluss erlaubt, einen persönlichen Wunsch zu äußern.

In einem frühchristlichen Hymnus wird vom Glauben der Chri¬sten bezeugt, dass sie Jesus Christus als die Mitte ihrer Gemein¬schaft sehen, dass er aber der ist, durch den Gott alles versöh¬nen will (vgl. Brief an die Kolosser 1,15-20). Was mir hier wichtig erscheint, das ist das Angebot, das der Vers 1,20 beinhaltet: Christus soll das Instrument der Ver¬söhnung aller Menschen werden. Das heißt, dass wir Christen nun an die Adresse der Nichtchristen und vornehm¬lich an die Adresse der Muslime folgendes Ange¬bot formulieren: Weil wir an Jesus Christus glauben, bieten wir ihnen Ver¬söh¬nung an, unabhängig davon, ob sie unseren Glauben nach¬voll¬ziehen können und wollen oder nicht. Über die schmerzhaf¬ten Erfah¬run¬gen von beiden Seiten, die unsere gemeinsame Ge¬schichte uns leider beschert hat, hinweg bieten wir den Musli¬men an, Versöhnung miteinander, Frieden und solidarische Brüderlich¬keit.
Auch der Islam ist offen für eine solche Haltung. Im Ko¬ran steht nämlich ge¬schrie¬ben: “Wenn ihr mit einem Gruß begrüßt werdet, dann grüßt mit einem noch schöne¬ren Gruß, oder erwi¬dert ihn” (4,86). Wenn wir Christen den Musli¬men mit dem Ange¬bot der Versöhnung und der Bereit¬schaft zur umfassen¬den Solidarität begegnen, wäre es nicht gerade im Sinne des Korans geboten, das Angebot anzunehmen und es zu erwidern?
Ich wünsche mir, dass viele Christen im Sinne des Evangeliums und dass viele Muslime im Sinne des Korans handeln. Dann könnten wir, Christen und Musli¬me, endlich begreifen, dass wir zusammengehören. Sagte nicht schon damals der Koran (5,82): “Und du wirst sicher finden, dass unter ihnen diejenigen, die den Gläubigen in Liebe am nächsten stehen, die sind, welche sagen: Wir sind Chri¬sten…”?